Waltz with Bashir:

Filmstart: 06.11.2008
Originaltitel: Waltz with Bashir
FSK: Ab 12
Verleih: Pandora
Laufzeit: 87 Minuten
Trailer: Klick hier
Regie: Ari Folman


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Inhalt: 26 zähnefletschende Hunde rennen durch eine Stadt. Ihnen im Weg stehende Menschen ergreifen die Flucht oder verharren angsterstarrt in ihrer Position. Vor einem Haus bleibt die Meute stehen und beginnt lautstark drohend zu bellen. Es ist immer wieder dieser Traum und jene Stelle, bei der Boaz erwacht. Während eines Barbesuchs erzählt er seinem Freund Ari von diesem Alptraum, der ihn jede Nacht einholt. Boaz vermutet traumatische Kriegserlebnisse hinter der allnächtlich wiederkehrenden Situation und fragt seinen Freund, ob er selbst noch irgendwelche Erinnerungen an den Krieg im Libanon 1982 hätte. Dem ist nicht so und Ari begibt sich auf den Weg, Kameraden aus früherer Zeit aufzusuchen und Kriegssituationen zu rekonstruieren, um Erklärungen für die eigenen Gedächtnislücken zu finden…

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Unsere Meinung: Ari Folmans animierter Dokumentationsfilm ist etwas Besonderes. Nicht nur wegen seines Comic-Stils, der zunächst eine gewisse Distanz zum Zuschauer schafft, die angesichts des dargestellten Krieges hilfreich ist. Die dokumentarische Aufarbeitung der Kriegserinnerungen früherer Kameraden verhilft Ari zur Wiederkehr des eigenen Gedächtnisses. Ari Folman war junge 19 Jahre alt, als er vollkommen unerfahren im Libanonkrieg als Soldat eingesetzt wurde. Die eigenen Erinnerungen sind bruchstückhaft, er weiß anfangs selbst kaum zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Die realen Kriegsszenen enden in surrealen Bildern. Traumsequenzen, die Ari zunächst nicht deuten kann. Durch Gespräche mit früheren Kameraden und heutigen Freunden lichtet sich allmählich der Nebel und Ari erfährt, dass er selbst unweit der Massaker von Schatila und Sabra mit seiner Einheit stationiert war. Die Frage, ob Ari aktiv an der Ermordung von Zivilisten beteiligt war, ist  – neben der allgemeinen Kriegsdarstellung im Film – Hauptschwerpunkt. Er selbst erfährt nach und nach, dass er die Aufgabe hatte, Leuchtraketen in den nächtlichen Himmel zu schießen. Die eigene Einheit sah die Aufladung ziviler Personen auf LKWs durch Phalange-Milizen, die Anhänger des ermordeten Präsidenten Bashir Gemayel waren. Gedanken an einen Völkermord kamen damals bei keinem Soldaten auf. Die Frage der Schuld beschäftigt jene Kameraden aber noch heute. Die grausame Gewissheit erreichte Ari Folman und seine Kameraden damals Tags darauf, als ihnen palästinensische Frauen weinend und schreiend entgegenkamen. Kinder, Frauen und Alte wurden unbewaffnet ermordet, das Vorgehen der Phalange-Milizen von der israelischen Führung toleriert. Mit dem rekonstruierten Betreten des Flüchtlingslagers verlässt der Film den animierten Pfad und ersetzt das grausame Massaker an unschuldigen Zivilisten durch reales Filmmaterial. Spätestens an dieser Stelle wird jede mögliche filmische Distanz zum Zuschauer aufgehoben. Die realen Bilder setzten sich fest und machen die grausame Wirklichkeit sichtbar.

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Fazit: Eine autobiographisch animierte Dokumentation hat es in diesem Stil noch nicht gegeben. Die Darstellung der Kriegsgeschehnisse ist brutal, aber realistisch und wird teilweise in zynischer Manier umgesetzt. Die Zeichnung der Charaktere ist manchmal schemenhaft, wird allerdings durch Mimik und Gestik der Interviewten absolut ausgeglichen. Eine außergewöhnliche Doku, welche die Sinnlosigkeit kriegerischen Treibens offenbart und die neben tausender unschuldiger Opfer auch gebrochene Seelen ehemaliger Soldaten zurücklässt. Ein Film, der einen nicht gleich loslässt und den Zuschauer durch seine Intensität – trotz (leider) alltäglich medialer Kriegsberichterstattung im TV – gefangen nimmt. 90/100 Punkten.
(dw)

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